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Tobias Harris und die 76ers: Ein Irrtum und das ersehnte Ende?

Die NBA-Saison ist für die 76ers schon seit einigen Tagen Geschichte und was viele Fans der Franchise freut: Geschichte ist wohl auch Tobias Harris im Trikot der 76ers.
So gab es nicht wenige Posts, die dessen wohl letztes Spiel im Wells-Fargo-Center feierten und seinen auslaufenden Vertrag als das einzig Gute am frühen Saison-Aus wahrnahmen. Dabei war das ein relativ mildes Ende dessen, was seit längerem und wiederholt in den sozialen Medien über den Flügelspieler geschrieben wurde.

Auch wenn er im entscheidenden Spiel-6 gegen die Knicks mit 0 Punkten bei 0-2 aus dem Feld in 29 Spielminuten komplett abtauchte, tue ich mich schwer mit dem „Hate“ ihm gegenüber. Schon immer, denn der ist leider nicht neu und geht meist über sachliche Kritik hinaus. Dabei ist diese aufgrund seiner fehlenden Konstanz, schwerfälligen Entscheidungsfindung, mangelhaften Oncourt-Leadership und seines bisweilen körperlos anmutenden Einsatzes angebracht. So, wie bei vielen Rollenspielern oder auch mal dritten Optionen eines Teams.

Und schaut man sich die Zahlen an, so war Tobias Harris im Sixers-Jersey nie etwas anderes: 17.6 Punkte bei 36.9% von Downtown, 6.6 Rebounds, 3.1 Assists und 1.4 Stocks pro Partie – ein guter Rollenspieler und Glue-Guy, der solide agierte, jedoch selten einer Partie seinen Stempel aufdrücken konnte.

Warum dann dieser „Hate“ ihm gegenüber? Dem zu Grunde liegt eine Menge Frust, der m.E. allein aus der Erwartungshaltung resultiert, die mit seinem großen Vertrag zusammenhängt. So wurde er in den vergangenen fünf Jahren wie ein Franchise-Player bezahlt – Harris erhielt seit der Vertragsverlängerung 2019 durchschnittlich $36 Millionen pro Saison – spielte jedoch nicht wie einer. Nicht mal ansatzweise.

Dazu kommt das Narrativ, die 76ers hätten sich damals wegen ihm gegen Jimmy Butler entschieden. Rückblickend betrachtet macht es den Anschein und Jimmy selbst fütterte die Sichtweise mit seinem berühmten „Tobias Harris over me?!?“ kräftig.

Allerdings war im Sommer 2019 eher die Frage: Jimmy Butler oder Ben Simmons. Die Sixers entschieden sich laut Ramona Shelburne (ESPN: „Jimmy Butler’s play in this series is a reminder of what the Philadelphia 76ers could have been„) schließlich für den sieben Jahre jüngeren Simmons, da sie bei ihm ein höheres Ceiling erwarteten und der 1. Pick von 2016 im Vergleich zu einer maximalen Butler-Verlängerung günstiger war. Zudem konnten sie dadurch Al Horford als Premium-Backup bzw. Sidekick für den verletzungsanfälligen Joel Embiid verpflichten. Und in Josh Richardson erhielt das Team im Sign&Trade mit den Heat außerdem eine Light-Version von Butler. So die damalige Idee – Jimmy Butler oder Ben Simmons, Al Horford und Josh Richardson.

Tobias Harris anschließend derart teuer zu verlängern (5 Jahre, $180 Millionen), war rückblickend natürlich katastrophal. Erstens, weil er dieses Gehalt nie rechtfertigen konnte und zweitens, weil dem Frontoffice dadurch auf lange Sicht Kader-Flexibilität abging.

Beides führte zwangsläufig dazu, dass er zur Zielscheibe frustrierter Fans wurde und das macht etwas mit einem, wie auch Dré Voigt in seinem letzten Fragenpod (Teil 2; ab ca. Minute 21:04) anmerkte. Dabei kann man ihm kaum einen Vorwurf machen: Er war und ist der Spieler, der er ist und hat sich nie als Franchise-Player oder Go-to-Guy gesehen. Dass er dennoch ein entsprechendes Angebot bekam, ist zwar absurd, gleichzeitig aber nicht sein Verschulden. Und auch danach hat er sich nicht als Star generiert. Im Gegenteil: Er ging meist professionell mit der Situation inklusive permanenter Tradegerüchte um, nahm sachliche Kritik an, fügte sich stets unter neuen Trainern und neben wechselnden Co-Stars von Embiid ein und versuchte einfach, dem Team zu helfen.

Warum Harris trotz aller Kritik und Probleme nie getradet wurde, bleibt offen. Nun ist sein Vertrag ausgelaufen und viele Fans atmeten deshalb auf – endlich keine teure #12 mehr im Team, endlich Kader-Flexibilität.
Die hat Daryl Morey nun zu Hauf: In Joel Embiid und Tyrese Maxey stehen für die kommende Saison nur zwei Profis in den Büchern – und gleichzeitig eines der besten Duos in der Liga. Eine reizvolle Aufgabe für den President of Basketball Operations also, wie er den Medien gegenüber selbst erwähnte:

Und Tobias Harris? Offen gesagt würde ich ihn weiterhin in Philadelphia sehen wollen, zumal er unbestritten ein guter NBA-Spieler ist. Und ja, natürlich zu wesentlich geringeren Bezügen: Weniger Druck, eine kleinere Rolle, seine Leistungen können sinnvoll eingeordnet werden und Nick Nurse muss ihn nicht aufgrund seines Salärs aufstellen.

Morey betonte während der Pressekonferenz, einige der eigenen Free-Agents behalten zu wollen. Also auch Harris? Ich gehe eher davon aus, dass er das Team wechseln wird, wenngleich ich mir anderes wünsche. Mal schauen – viel hängt vermutlich davon ab, was Harris selbst möchte.


Zahlen: Tobias Harris bei basketball-reference.com

The Sporting News: „Did the 76ers choose Tobias Harris over Jimmy Butler? Why Heat star left Philadelphia for Miami in free agency

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