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Draft-Bust? So einfach ist es nicht!

Was haben Anthony Bennett, Kwame Brown, Darko Miličić, Hasheem Thabeet, Michael Olowokandi oder Sam Bowie gemeinsam? Allesamt werden von Fans und Medien gemeinhin als “Bust” bezeichnet. Also als Spieler, die „versagt“ haben – die die in sie gesteckten Erwartungen nie erfüllen konnten. Erwartungen, die sich einerseits aus den gezeigten Leistungen als Highschool- oder College-Spieler und andererseits aus der Draft-Position ergaben.

Die oben genannten waren in ihren jeweiligen Draft-Jahrgängen entweder der 1. oder 2. Pick – und keiner wurde je Allstar oder in ein All-NBA-Team gewählt. Gut, Darko Miličić kann immerhin jederzeit einen Meisterschaftsring aus der Schatulle kramen. Dass er 2004 durchschnittlich aber nur 1.8 Minuten in acht Playoff-Spielen auf dem Hartholz stand lassen wir dabei mal unter den Schreibtisch fallen.

Werden zu den oben genannten noch Greg Oden, Jay Williams oder Markelle Fultz ergänzt, ballt sich in mir die vielzitierte Faust. Die drei kamen mit großen Vorschusslorbeeren in die Liga und waren zu Recht hohe Draftpicks. Dass sie dem nie gerecht werden konnten, lag jedoch an Verletzungen bzw. einem Unfall – Dinge, die sie einfach nicht beeinflussen konnten. Von daher haben diese Namen nichts in einer „Bust-Diskussion“ zu suchen.

Nur warum „versagen“ hochgehandelte Spieler? Ist der Sprung in die NBA zu groß? Reicht das Talent nicht aus? Sind sie den körperlichen Anforderungen nicht gewachsen? Oder ist die NBA-Mühle inkl. medialem Druck, Reisestrapazen, wirtschaftlichen Aspekten und vieler sozialpsychologischer Herausforderungen insgesamt zu viel für den ein oder anderen Jungprofi?

Am Ende wird es eine Melange aus mehreren Gründen sein. Ihnen gegenüber stehen aber auch hunderte, für die all das kein Problem darstellte. Spieler, die ihre Leistung brachten und – natürlich in Abstufungen – den Erwartungen gerecht wurden.

Was kann ein Jungprofi also tun? Was liegt in seiner Macht? Eine für mich interessante Frage. Denn keiner wird plötzlich verlernen, Basketball zu spielen. Niemand wird seine Stärken vergessen. Und auch keiner sollte aufhören, an seinen Schwächen zu arbeiten. Macht er es doch, hat er m.E. nichts in der Liga verloren.
Mögliche Gründe, die dazu führen können, sind genannt. Hemmt der mediale Druck? Verunsichert die Situation im Locker-Room? Setzt dich der Headcoach ungewohnt ein? Alles normal, weil menschlich. Ist es dann auch gleich ein „Versagen“? Oder waren vielleicht auch die Erwartungen einfach zu hoch oder wurde der jeweilige Spieler falsch eingeschätzt?

Mir fehlt bei der gesamten Bust-Thematik der Blick auf die Verantwortlichen. Man kann nämlich auch fragen: Was kann ein Spieler dafür, dass er so hoch gedraftet wurde?
So hat niemand die Pistons 2003 gezwungen, Darko Miličić an zweiter Stelle zu ziehen – und somit vor Dwyane Wade, Carmelo Anthony oder Chris Bosh. Auch nicht die Grizzlies 2009, Steph Curry oder James Harden zu ignorieren.

Woran also macht eine Franchise ihre Entscheidung letztendlich fest? Soll es der passendste oder doch eher beste Spieler sein, der noch verfügbar ist? Die Blazers-Verantwortlichen haben damals ersteres gewählt und den wirklich guten Center Sam Bowie dem Shooting-Guard Michael Jorden vorgezogen. Warum auch nicht? Jim Paxson – im Jahr zuvor Allstar und All-NBA-Teamer – sowie der junge Clyde Drexler waren bereits im Team.

Macht die Entscheidung der Blazers Sam Bowie nun zu einem Bust? Was kann der Center für die Entscheidung? Und was für die Entwicklung von Jordan oder auch Charles Barkley und John Stockton? Waren die absehbar?
Am Ende müsste man eher die Verantwortlichen dafür kritisieren, nicht Jordan, Barkley oder Stockton gezogen zu haben. Auch die Pacers sehen in dem Fall blöd aus – haben sie schließlich den Pick 1981 nach Portland getradet.

Fakt ist: Keiner kann in die Zukunft schauen und am Ende war, ist und bleibt die Draft ein „Glücksspiel“. Eine Garantie gibt es nur selten. Große Mengen an Daten, regelmäßiges Scouting und umfangreiche Analysen können helfen, den richtigen Spieler zu finden. Aber auch hier passieren Fehler, gibt es Fehleinschätzungen und zudem lässt sich auch nicht alles in Statistiken einfangen. Die menschliche Komponente bleibt dabei ein großer X-Faktor.

Schlussendlich finde ich es falsch, die Schuld für ein Nicht-Funktionieren allein beim Spieler zu suchen – ihn als Bust abzustempeln und nicht zu hinterfragen, welche Rolle dabei die Kultur in der Franchise, das Front-Office, die Scoutingabteilung, das Trainerteam oder auch der Locker-Room spielt. Und insgesamt sollte es heißen: Genau hinschauen, beleuchten und hinterfragen, bevor die Bust-Schublade aufgemacht wird.

Ausgenommen sind bei all dem natürlich die Kandidaten, die unprofessionelles Verhalten an den Tag legen, nicht an sich arbeiten und vergessen, warum sie eigentlich in die NBA wollten. Das sind m.E. die wirklichen Busts!

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