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Die Offseason der…Pistons

von Steffen (Twitter/X: @LetsgoHDpodcast)

Herausforderungen

Die Stadt Detroit hat in den letzten Jahrzehnten mit dem Zusammenbruch der Automobilindustrie einen beispiellosen Niedergang erlebt, der in zahlreichen Filmen wie „8 Mile“ dokumentiert wurde. Ebenso ist es der stolzen Franchise der Motor City mit etwas Verzögerung in den letzten 15 Jahren ergangen. In den 00er Jahren war das Team der Stolz der Stadt und des Staates Michigan, stand  sechs Mal in Folge in den Conference Finals, zweimal in den NBA Finals und holte einmal den Titel. Danach haben viele mehr oder weniger namhafte Coaches, GMs und Spieler versucht, der Franchise wieder neues Leben einhauchen. Was sie gemeinsam haben? Alle sind gescheitert! Zuletzt gab man dem ehemaligen Coach-of-the-Year Monty Williams einen 5-Jahres-Vertrag im Wert von $78.5 Millionen und erhoffte sich von ihm einen großen Impact.

Nach nur einem Jahr wurde der Vertrag mit Monty Williams aufgelöst und nun schuldet ihm Detroit noch $65 Millionen. Nun haben die Pistons in den letzten Jahren viele schlechte Entscheidungen getroffen. Bei dem Hiring von Williams trifft die Franchise allerdings keine Schuld. Der Vertrag mutet zwar sehr hoch an, um einen Coach dieser Klasse nach Detroit zu holen, war das aber nötig. Dass nun Williams einen derart miesen Job abliefert, das war nicht zu erwarten. So eine schwache und lustlose Performance haben ich auch in mehreren Jahrzehnten NBA noch nicht erlebt! Hier zähle ich nur einige der Verfehlungen von Williams auf, eine komplette Liste würde den Rahmen sprengen:

Damit hat Williams großen Anteil an der peinlichen letzten Saison mit nur 14 Siegen und 28 Niederlagen am Stück. Das ist der absolute Tiefpunkt einer einstmals stolzen Franchise. Natürlich ist Williams nicht der Alleinschuldige, nicht einmal der Hauptschuldige. Denn der Kader, der vorne und hinten nicht zusammen passte, wurde von GM Troy Weaver zusammengestellt. Der Kader war unmöglich zu balancieren, es gab nur offensive Lineups, die nicht verteidigen konnten oder umgekehrt. Dazu hatte der Kader viel zu wenig Shooting und Spacing. So konnte sich der Point-Guard Cade Cunningham zu Beginn der Saison überhaupt nicht entfalten, da er permanent gedoppelt wurde. Das ist seit der Ankunft von Cade in Michigan ein Problem.
Troy Weaver ist es in all den Jahren in Detroit nie gelungen, einen auch nur in Ansätzen Sinn machenden Roster zusammenzustellen. Das war zwar im Rebuild nicht unbedingt das oberste Ziel, dennoch sollte ein Roster zumindest eine Identität, eine Zielrichtung und die Fähigkeit haben, zumindest in Ansätzen NBA-tauglichen Basketball zu spielen. Dazu holte er zu wenige und /oder verletzte, lustlose Veteranen. So kann man keine Entwicklung vorantreiben, obwohl Weaver mit der Ausnahme von Kilian Hayes sehr gut gedrafted hat. Er hat sowohl an der Spitze der Draft gute Spieler geholt (Cunningham, Ivey), weiter hinten in der Lottery (Duren) und auch außerhalb der Lottery (Bey, Stewart). Einen stimmigen Roster baute er um die Talente leider nie auf. Daher wurde auch er am 31. Mai 2024 entlassen. 

Dennoch steht man in Detroit nicht mit leeren Händen da und die letzte Saison ist nicht ganz verloren. Detroit hat einen guten jungen Kern, der Hoffnung macht. Vor allem ist hier natürlich Cade Cunningham zu nennen. Der einstige Nummer-1-Pick hat sich trotz schlechtem Team und fehlenden Passing Outlets deutlich verbessert. In 62 Spielen legte er 22.7 Punkte auf (+2.8), dazu 7.5 Assists (+1.5) und steigerte seine FG% um mehr als 3%, beim Dreier waren es +8%. Vor allem nach der Verpflichtung von Simone Fontecchio und verbessertem Spacing machte Cunningham nochmal einen großen Sprung. Von ihm könnten wir eine Breakout-Season sehen.

Neben ihm gibt es noch eine ganze Reihe weitere hoffnungsvoller Talente. Mit 20 Jahren ist Jalen Duren auch in seiner zweiten NBA-Saison immer noch blutjung. Außerdem steigerte er seinen Punkteschnitt (von 9.1 Punkte auf 13.8 Punkte) ebenso wie seine Rebounds (von 8.9 auf 11.6) und seine Effektivität (von 61.1% FG auf 79% FG). Wenn nun noch seine Defense besser wird, ist der Modellathlet ein Building Block für die Zukunft.

Etwas ins Stocken geraten ist die Entwicklung von Jaden Ivey, der im Jahr davor noch 6. beim Rookie-of-the-Year-Voting wurde. Für ihn gilt es, seine Entscheidungsfindung mit Ball zu verbessern. Weitere Baustellen sind seine Defense und sein Shooting, vor allem von draußen. Vor allem von Letzterem wird es abhängen, ob er in Zukunft einen Playoff-tauglichen Backcourt mit Cade Cunningham bilden kann. Ausar Thompson und Marcus Sasser haben gezeigt, dass sie herausragende Anlagen haben, teilweise aber noch recht roh daher kommen.

Isaiah Stewart musste zuletzt viel auf der Power Forward Position spielen. Er hat zwar seine Entscheidungsfindung mit Ball verbessert und phasenweise auch seinen Wurf. Für seine weitere Entwicklung wäre eine Rückkehr auf die Center Position sicher von Vorteil.

Nun gilt es, diesen jungen Kern weiter zu entwickeln. Dabei ist die individuelle Entwicklung ebenso wichtig, wie der ,,Fit“ und das Zusammenspiel als Team. Nach der letzten verlorenen Saison muss man nun auch schnell herausfinde, welche Spieler des jungen Kerns langfristige Building Blocks sind. Besonders das Zusammenspiel von Cunningham und Ivey steht auf dem Prüfstand. Bei Nichtgefallen könnte der Letztgenannte dann auch schneller das Team verlassen, als gedacht. Schließlich muss es das Ziel sein, Veteranen zu verpflichten, das Shooting und Spacing zu verbessern und endlich einen Coach und GM zu holen, die eine klare Vision für die Zukunft und einen sinnvollen Gameplan für die neue Saison entwickeln können.

Folgerichtig wurde auch in diesem Sommer alles einmal auf links gedreht: Mit J.B. Bickerstaff kam ein neuer Coach, mit Trajan Langdon ein neuer GM. Warum habe ich nun die Hoffnung, dass es unter dem neuen Regime besser wird? Nun, zum Einen kann es eigentlich gar nicht schlechter werden. Zum Anderen wurde mit John Blair ,,J.B.“ Bickerstaff ein Coach verpflichtet, der aus mehreren Gründen für die Aufgabe gut geeignet ist. Bickerstaff verfügt als Assistant- und Headcoach bereits über 20 Jahre Erfahrung in der NBA, mit 45 Jahren ist er aber noch jung genug, um das junge Team zu verstehen und anzuführen. Bei den Cleveland Cavaliers hat er genau das erreicht, was er mit den Pistons nun wiederholen soll: Er hat ein junges Team weiter entwickelt und vom Tabellenkeller in die Playoffs geführt. Er hat dem Team eine feste Identität und einen passenden Spielstil verpasst. Genau das erhofft man sich nun auch in der Motor City von ihm. 

Mit Trajan Langdon kam für Troy Weaver ein neuer GM, der gleich in den ersten Pressekonferenzen klar machte, dass er einen anderen Weg gehen will, als sein Vorgänger. Der 48-Jährige hat 12 Jahre Scouting- und Front Office Erfahrung, zuletzt war er von 2019-24 bei den New Orleans Pelicans tätig. Langdon machte sofort deutlich, dass er seine Aufgabe versteht. Die $60 Millionen in Capspace sollten zum Einen für die Verlängerung von Cade Cunningham genutzt werden, zum Anderen war es essenziell, Veteranen mit Impact nach Detroit zu holen. Nicht nur Bankwärmer, die entweder lustlos spielen oder nur auf eigene Stats schielen, um möglichst schnell den Absprung zu einem anderen Team zu schaffen.
Außerdem war es wichtig, mehr Shooting und Floor-Spacing zu bekommen, um Franchise-Player Cade Cunningham besser zur Entfaltung kommen zu lassen. Insgesamt brauchte das Team einfach mehr NBA-geeignete Spieler in der Rotation, um wieder regulären NBA-Basketball in Offense und Defense spielen zu können. Wenn dabei zukünftige Assets (First-/Second-Round Draftpicks) abfallen würden, wäre das natürlich auch sehr willkommen. Schließlich galt es dabei, die Flexibilität für die Zukunft zu erhalten. Es ist ja noch nicht klar, welche Spieler aus dem jungen Kern man weiterhin behält und welche Ergänzungsspieler um den jungen Kern herum kurzfristig (nächste Trade-Deadline) bis mittelfristig (nächste und übernächste Offesason) in der Zukunft gebraucht werden. 

Zugänge

Und Langdon machte sich direkt ans Werk und lieferte meiner Meinung nach extrem ab. Alle seiner Moves waren sinnvoll und zeigen eine klare Vision, einen Plan für die Zukunft. Der designierte Franchise Player Cade Cunningham bekam die ,,Designated Rookie Extension“ und verlängerte damit fünf Jahre für $224.2 Millionen garantiert mit einem durchschnittlichen Jahresgehalt von fast $45 Millionen. Er ist das Herzstück des zukünftigen Teams und der Vertrag war genauso ein No-Brainer wie die Verlängerung von Simone Fontecchio. Sein neuer Vertrag ist mit $16 Millionen für zwei Jahre überraschend günstig.
Fontecchio ist aufgrund seines Shootings, seiner Vielseitigkeit und seines hohen Game-IQ ein begehrter Flügelspieler in der NBA. Seit seiner Ankunft hat er in 16 Spielen 15.4 Punkte und 4.4 Rebounds inklusive 42,6% Dreier aufgelegt. Damit war er nicht nur der mit Abstand beste Shooter im Team, sondern auch essenziell für das verbesserte Spacing in der späteren Saisonphase. Er wird auch für die Zukunft ein wichtiger Baustein sein, mit 28 Jahren passt er durchaus noch in die Timeline des jungen Teams.

An Position fünf der NBA Draft, in der man wieder ein paar Plätze fiel, wurde der Flügelspieler Ron Holland gedrafted. In der schwierigen Draft sahen ihn einige Experten sogar an Nummer zwei, er könnte also zu einem Steal werden. Letzte Saison spielte er in der G-League für das Team Ignite und bringt neben herausragender Athletik, Ballhandling, Rebounding, Defense und ganz viel Energie aufs Parkett.

Ähnlich wie bei Ausar Thompson, mit dem er das Flügel-Duo der Zukunft bilden könnte, fehlt ihm bisher jedoch der NBA-Dreier. Ob sie diesen entwickeln können, wird bei beiden darüber entscheiden, ob sie ,,nur“ durchschnittliche NBA Spieler oder mehr werden können.
Letzte Saison wurden mit Bojan Bogdanovic, Joe Harris und Monte Morris Spieler verpflichtet, die sehr verletzungsanfällig sind. Diese Saison wurde das besser gemacht. Schauen wir uns die neuen Spieler im Einzelnen an:

Tobias Harris bekam einen Zweijahresvertrag für $52 Millionen. Seine Verpflichtung sehe ich als einen sehr cleveren Move an. Zum Einen hat er bereits in Detroit gespielt und fühlt sich der Stadt und dem Team verbunden, er wollte in die Motor City kommen, was absolut nicht selbstverständlich für einen Spieler seines Kalibers ist. Er ist ligaweit respektiert, bringt Erfahrung und Shooting mit. In Detroit wird er einer der besten Shooter sein, letzte Saison legte er 17.2 Punkte bei 48% FG und 35% Dreier auf.
Er war immer relativ gesund und spielte mindestens 70 Spiele in den letzten Jahren. Dass er nach einer schwachen Playoff-Performance nach Detroit kommt, spielt hier keine Rolle. In den nächsten zwei Jahren ist nicht unbedingt mit einer Playoff-Teilnahme zu rechnen. Auch die zukünftige Flexibilität bewahrt man sich, da der Vertrag nur kurz läuft und / oder Harris ein gutes Trade-Asset ist.

Malik Beasleys Verpflichtung für ein Jahr für 6 Millionen ist ein herausragendes Signing. Letzte Saison legte er bei den Bucks 11.3 PPunkte pro Spiel inkl. 41.3% Dreier bei fast sieben Versuchen pro Spiel auf. Er ist erst 27 Jahre alt und wie Harris selten verletzt – letzte Saison startete er 79 Spiele für die Bucks. Offensiv bietet er mit seinem Shooting ein enormes Upgrade und wird egal ob als Starter oder von der Bank kommend das grüne Licht haben. Sein Punkteschnitt wird sicherlich nach oben gehen. Defensiv ist er kein Plus, aber auch kein Minus – vielleicht kann er sich da unter Coach Bickerstaff noch verbessern. Ligaweit gilt die Verpflichtung als einer der Steals der gesamten NBA Offseason. 

Eine weitere gute Verpflichtung ist die von Paul Reed. Nachdem man James Wiseman nicht verlängert hat, füllt Paul Reed diese Lücke bestens auf. Er kam ,,off waivers“, nachdem die 76ers ihn etwas überraschend nicht mehr haben wollten. Paul Reed ist einer der besten Offensiv-Rebounder der Liga, ein guter Defender und wird die Bigman-Rotation verstärken. Da die Pistons mit Duren, Stewart und Reed nun drei Center haben, könnte er auch in Trades verwendet werden, um weitere Assets zu erhalten. 
Tim Hardaway Jr. kam per Trade mit den Dallas Mavericks. Er gibt dem Roster einen weiteren nützlichen Veteranen. Sein Shooting und seine generelle Fähigkeit zu scoren wird dem Team offensiv sehr gut tun. Er legte letzte Saison 14.4 Punkte auf, traf 36% seiner Dreipunktewürfe und stand mit den Mavericks in den NBA-Finals. In den letzten Playoffs enttäuschte er zwar, ein Neustart könnte ihn aber wieder in die Spur bringen. Sein Vertrag ist mit $161 Millionen zwar etwas zu hoch, läuft dafür aber aus. Damit passt der Move auch in die Strategie von Langdon. Wendell Moore kam auch noch per Trade, wird aber keine große Rolle spielen.

Abgänge

Die Abgänge von Taj Gibson (Free-Agent zu den Hornets), Quentin Grimes (Trade zu den Mavs) und James Wiseman (Free-Agent zu den Pacers) fallen kaum ins Gewicht. Lediglich Grimes tut etwas weh, bei den Knicks hat er phasenweise sein Talent aufblitzen lassen, aus ihm könnte durchaus noch ein wertvoller Rotationsspieler werden.  

Bewertung und Blick nach vorne

Insgesamt bewerte ich die Offseason der Pistons als gut, aber nicht herausragend. Es wurde ein geeigneter neuer Coach verpflichtet und der neue GM hat eine klare Vision für die Zukunft. Zahlreiche Altlasten wurden beseitigt und alle zentralen Baustellen wurden angegangen: Die Verlängerung des Franchise-Players Cade Cunningham und die Verpflichtung engagierter Veteranen (Harris, Beasley, Reed und Hardaway) wurden dabei nicht der zukünftigen Flexibilität geopfert. Alle Verträge sind preiswert bis günstig und nicht zu langfristig.

Das fehlende Shooting und Spacing wurde verbessert – nun kann die Entwicklung der Talente an der Seite eines weitgehend schlüssigen Kaders vorangetrieben werden. Die entscheidende Komponente wird dabei aber die Beantwortung der offenen Fragen in Bezug auf den jungen Kern sein.
Kann Cade Cunningham den nächsten Schritt machen und zu einem effektiven Motor einer guten NBA-Offense werden? In der letzten Saison machte er einen großen Schritt in die richtige Richtung. Kann sich Ivey zu einem ordentlichen bis guten Dreierschützen entwickeln und zusammen mit Cunningham einen funktionierenden Backcourt bilden? Können Ausar Thompson und Ron Holland sich zu einem ernst zu nehmenden Flügel-Duo entwickeln? Kann Jalen Duren seine Defense steigern und ein guter NBA-Center werden? Wird „Beef Stew“ Isaiah Stewart auf seiner angestammten Center-Position zu einem richtig guten Backup? Und vor allem: Kann dieser junge Kern in der Form weiter zusammen entwickelt werden?

Diese Saison wird hoffentlich viele positive Antworten auf möglichst viele dieser Fragen bringen. Zumindest darf man davon ausgehen, dass mehr als 14 Siege herausspringen und das Team nicht mehr das Gespött der Liga sein wird. In Las Vegas sieht man die Pistons diese Saison als viertschlechtestes Team bei ca. 25 Siegen. In diesem Rahmen erwarte ich die Pistons diese Saison auch – bei gutem Verlauf könnten es vielleicht auch 28 Siege werden, bei schlechterem Verlauf wohl auch nur 22.
Aber auch in diesem Jahr ist die Entwicklung wichtiger als die Zahl der Siege, letztlich ist in der Motor City weiter Geduld gefragt. Das Fundament für eine erfolgreiche Zukunft wurde in dieser Offseason meiner Meinung nach aber gelegt. 

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