von Luca (Twitter/X: @LucaE23)
Blick zurück
Paul George ist weg, und damit endet die Ära 213. Seit Monaten tobte ein öffentliches Hin und Her zwischen George und den Clippers, das nun ein klares Ende gefunden hat: Paul George jagt in Philadelphia dem Titel hinterher, während die Clippers einen Schlussstrich ziehen. Doch warum trennt sich das Team freiwillig von einem der Top30-Spieler der NBA – gerade jetzt, wo die neue Arena kurz vor der Eröffnung steht? Ein Grund dafür liegt in dem neuen CBA, das es schwerer macht, Teams langfristig deutlich über den 2nd Apron zusammenzuhalten. Die genauen Details erspare ich euch – dafür gibt es andere Experten.
Doch angesichts der Tatsache, dass dieser Kern in den letzten drei Jahren nur drei Playoffspiele gewinnen konnte, ist es verständlich, dass die Clippers nicht weiter ihre Zukunft opfern wollten. Realistisch betrachtet ist es kaum vorstellbar, dass sowohl Kawhi Leonard als auch George eine komplette Postseason gesund bleiben.
Herausforderungen
Die Herausforderung der Clippers unterscheidet sich grundlegend von den vorherigen Spielzeiten. Während früher stets das Ziel war, eine Meisterschaft nach L.A. zu holen, kann dies aktuell nicht mehr der Anspruch sein. Die Talentdichte in der NBA ist zu groß, um dieses Ziel realistisch verfolgen zu können. Daher sollte das Erreichen der Playoffs das neue Hauptziel sein.
Zudem bleibt offen, wie die Starting-Five der Clippers genau aussehen wird. Stand jetzt gehe ich von einer Starting-Five bestehend aus Harden, Mann, Jones, Kawhi und Zubac aus. Kawhi hat jedoch bereits letzte Saison gesagt, dass er bereit sei, die Vier nur zu spielen, bis die Clippers eine „echte Vier“ verpflichten würden. Mit Batum haben sie zwar eine Lösung gefunden – allerdings ist fraglich, ob dieser mit bald 36 Jahren eine ganze Saison durchhält. Es scheint daher wahrscheinlich, dass Kawhi diese Position erneut übernehmen muss.
Sollte diese Starting-Five in dieser Formation auflaufen, könnten die Clippers Probleme mit dem Spacing bekommen. Betrachtet man sowohl das Wurfvolumen als auch die Dreierquote, haben sie in dieser Aufstellung mit Harden und Kawhi lediglich zwei zuverlässige Distanzschützen. Daher wird es entscheidend sein, dass Jones Jr. näher an seine 37 Prozent aus den Playoffs herankommt, statt seine 34.3 Prozent aus der regulären Saison zu wiederholen.
Zugänge
Die Clippers haben sich für einen klaren Plan entschieden. So wurde einerseits Dan Craig durch Jeff van Gundy als defensiver Assistant-Coach ersetzt. Aber auch die Spielerzugänge haben alle eine klare Verbindung: Defense. Nachdem die Clippers letzte Saison nur 17. im Defensiv-Rating der Liga wurden, entschied man sich dafür, vor allem dies zu verbessern. Derrick Jones Jr. ($30 Millionen, 3 Jahre), Dunn ($16 Millionen, 3 Jahre), Batum ($9.5 Millionen, 2 Jahre) haben alle ihre Stärken in der Defense – was aber dazu führt, dass die Clippers die andere Seite des Balls vernachlässigen. So haben die Clippers derzeit nur einen wirklich positiven Play-Initiator mit Harden. Kurz gesagt: Die Defense sollte besser und die Offense könnte doch sehr grausig werden, da kaum positive Spacer vorhanden sind – vor allem wenn Kawhi oder Harden Spiele verpassen sollten.
Im Draft haben die Clippers erneut nicht viel machen können. So wurde lediglich Cam Christie – einen 1.96m großen Shooting-Guard und Bruder von Max Christie – an 46. Stelle im Draft gezogen. Dieser ist mit seinen gerade 19 Jahren weit davon entfernt, einen positiven Impact für ein NBA-Team zu liefern. Auf jeden Fall bietet Christie ein interessantes Rollenspieler-Potenzial mit seinem bereits sehr ausgeprägten Wurf (41% Dreier-Quote in der Summer-League).
Ein unterschätztes Signing könnte die Verpflichtung von Kris Dunn sein. So konnte der ehemalige fünfte Pick sein Potenzial zwar nie erreichen, hat sich mittlerweile aber zu einem der besten Guard-Defender der Liga entwickelt. Auch offensiv hat er die Rollenspieler-Rolle eingenommen – so trifft er über die letzten zwei Saisons knapp 40% seiner Dreier. Ergänzend ist noch Mo Bamba zu erwähnen, der als Free-Agent kam und etwas talentierte Größe für die Zubac-losen Minuten einbringt.
Und dann wäre da noch die Verpflichtung von Kevin Porter Jr. – sportlich betrachtet: meh. Damit wäre das abgehakt. Jetzt möchte ich jedoch erläutern, warum das Argument „Jeder verdient eine zweite Chance“ in diesem Fall nicht greift. Aber der Reihe nach: Kevin Porter Jr. wurde Anfang 2024 wegen leichter Körperverletzung und Belästigung seiner Freundin für schuldig gesprochen. In der NBA zu spielen ist kein Grundrecht – niemand, weder Mensch noch Spieler, hat ein Anrecht darauf, in der besten Liga der Welt zu spielen. Es ist das Ziel jedes Sportlers aber wer nicht in der Lage ist, sich angemessen zu verhalten, hat dort nichts verloren.
Bei Kevin Porter Jr. kann auch kaum noch von einer „zweiten Chance“ gesprochen werden. Eine kurze Recherche von fünf Minuten bringt bereits folgende Vorfälle ans Licht: Ein Autounfall, bei dem eine geladene Waffe und Marihuana gefunden wurden. Eine unbegrenzte Suspendierung bei USC aufgrund von „Verhaltensproblemen“. Beteiligung an einer Schlägerei mit seiner Schwester und einer anderen Frau. Wurf von Essen in der Kabine der Cavs, was zu seinem Rauswurf führte. Kann man da wirklich noch von einer zweiten Chance sprechen, wenn jemand immer wieder über die Stränge schlägt? Es scheint eher, dass das Fehlverhalten von Spielern ignoriert wird, solange sie einigermaßen gut den Ball in den Korb werfen können.
Es ist wichtig zu betonen, dass NBA-Spieler zu sein keine Form der Resozialisierung ist. Die NBA ist eine Bühne für die Besten der Besten – nicht ein Mittel, um Menschen auf den richtigen Weg zu bringen, die wiederholt durch unakzeptables Verhalten aufgefallen sind. Das ist zwar keine neue Erkenntnis – Karl Malone wird in Utah immer noch gefeiert – aber es ist dennoch wichtig, dies zu kritisieren. Gerade für diejenigen, die schreckliche Erfahrungen machen mussten und zusehen müssen, wie die Täter weiterhin ihre Träume verwirklichen.

Abgänge
Neben dem Abgang von Paul George haben die Clippers auch Russell Westbrook verloren. Diese Zusammenarbeit war von Höhen und Tiefen geprägt. Während der Regular-Season konnte Russ mit verbesserter individueller Defense und seiner nach wie vor beeindruckenden Athletik regelmäßig positiv ins Spiel eingreifen. Doch in den Playoffs übernahm er erneut eine zu große Rolle, was in einem True-Shooting-Wert von nur 34.1% endete.
Abgesehen von diesen beiden großen Namen haben die Clippers keine weiteren relevanten Spieler verloren. Sie gaben zwar ihre beiden Backup-Center, Mason Plumlee und Daniel Theis, ab, jedoch hatten beide im Laufe der Saison keinen positiven Einfluss auf das Team, weshalb eine Veränderung hier notwendig war.
Bewertung und Blick nach vorn
Die Clippers haben einen Schritt vollzogen, den nicht alle nachvollziehen können: Sie ließen den Spieler ziehen, für den sie einst alles getradet haben, und beendeten die Ära, die den ersten Titel der Franchise-Geschichte bringen sollte. Doch aus meiner Sicht war dies der richtige, wenn auch schmerzhafte Schritt.
Die Clippers haben seit vier Jahren keine Playoffserie mehr gewonnen. Kawhi schafft es nicht, in den Playoffs fit zu bleiben, und auch Paul George verpasste zwei der letzten drei Playoffs und war in der Serie gegen die Mavs kaum präsent. Man hat aus meiner Sicht alles versucht, um einen Titel nach L.A. zu holen – durch die Verpflichtung von Harden wurde ein letzter Versuch unternommen. Doch auch er konnte das Ruder aus den immer gleichen Gründen nicht herumreißen. Warum also immer wieder dasselbe versuchen, wenn das Ergebnis doch jedes Mal gleich ausfällt? Zumindest nicht um jeden Preis, und dieser Preis durfte nicht erneut das Opfern zukünftiger Picks sein. Daher konzentrieren sich die Clippers nun darauf, konkurrenzfähig zu bleiben und gleichzeitig ihre Gehaltsstruktur so anzupassen, dass sie in naher Zukunft wieder attraktiv für Free-Agents werden.
Ab 2026 stehen nur noch Derrick Jones Jr., Kawhi, Dunn und Ivica Zubac unter Vertrag – ein klarer Schlussstrich und zugleich ein Angriff auf die hochkarätige Free-Agency-Klasse von 2026, die Stars wie Embiid, SGA oder Dončić umfassen könnte. Ob einer dieser Namen realistisch ist, lässt sich aktuell schwer sagen, doch es wäre nicht das erste Mal, dass die Clippers in einer Free-Agency für Aufsehen sorgen.
