von Justin (Twitter/X: @Clashbaff2)
Blick zurück
Zwei Jahre ist es her, als Darius Garland und Jarrett Allen zum ersten Mal All-Star wurden, Evan Mobley den Rookie-of-the-Year-Award beraubt wurde und mit Donovan Mitchell zum ersten Mal nach fast zehn Jahren wieder ein Star nach Cleveland kam. Vier Jahre nach dem Abgang von LeBron James lebte die Franchise wieder. Es folgten die auf dem Papier erfolgreichsten Spielzeiten ohne LeBron seit knapp 30 Jahren. Aber das trügt.
Obwohl Spida Mitchell in allen wichtigen Bereichen neue Career-Highs aufstellte, war insbesondere letzte Saison geprägt durch eine insgesamt schwache Offense, Stagnation/Regression junger Spieler, ziemlich viel Unruhe um das Team und peinliche Auftritte in den Playoffs (letztes Jahr die 79 Punkte im MSG oder der 40-Punkte-Blowout gegen die Magic).
Folglich musste Head Coach JB Bickerstaff gehen. Auch wenn er im Rebuild einen sehr soliden Job gemacht hat, war diese Entscheidung alternativlos. Dafür war die Unzufriedenheit der Spieler und seine offensiven Limitationen schlichtweg zu groß. Und eine vermeintlich große Offseason begann für die Cavs…
Herausforderungen
Die große Frage war: Was macht Donovan Mitchell? Trotz vieler Berichte aus Cleveland, dass er bleiben möchte, hielten sich die Gerüchte um einen möglichen Trade lange und am Ende hatte er nur noch en Jahr Vertrag vor seiner Player Option. Am 02. Juli erhielten wir dann Klarheit: Die lokalen Reporter behielten Recht und Mitchell bleibt vorerst und unterscheibt eine Extension über drei Jahre für $150.3 Millionen. Natürlich erstmal sehr erleichternd für die Cavs. Aber wichtig zu betonen ist auch, dass es am Ende nur ein 2+1-Vertrag ist. Bedeutet, in zwei Jahren ist man vertraglich in der gleichen Situation wie man es dieses Jahr war. Also ausruhen kann man sich auf jeden Fall nicht.
Die nächste Frage: Glaubt man, dass er der Frontcourt noch fitten kann? Man könnte argumentieren, dass Allen letztes Jahr seine beste Saison gespielt hat und auch Mobley hatte offensiv wirklich gute Ansätze, vor allem in den Playoffs. Es ist aber auffallend, dass beide dann am besten sind, wenn der andere ausfällt. Die Antwort der Cavs ist dennoch sehr klar: Ja, der Frontcourt bleibt erstmal zusammen.
Dafür gab man $315 Millionen aus. Denn Allen bekam zusätzlich zu seinen zwei Jahren Vertag nochmal drei Jahre für $91 Millionen. Für die Leistung vom letzten Jahr und so wie der Markt aktuell explodiert, ist das ein wirklich sehr guter Deal aus Cavs-Sicht und könnte den Trade-Value in 1-2 Jahren nochmal erhöhen. Auf der anderen Seite bekam Evan Mobley seine Rookie-Max-Extension und den größten Vertrag in Franchise-History. Ob er die $224 Millionen wert ist, darüber lässt sich streiten, aber das Potenzial dazu hat er zweifellos und viele Alternativen hatten die Cavs auch nicht.
Nächste Personalie: Darius Garland. Die Diskussion, ob man mit zwei kleinen, defensiv schwachen Guards überhaupt ein ernsthafter Contender werden kann, ist ja keine neue. Aber offensiv stimmten die Leistungen bei DG auch nicht mehr. 18 Punkte und 6.5 Assists bei schlechten Quoten sind einfach zu wenig. Fairerweise war er letzte Saison auch von Verletzungen geplagt und auch im privaten Umfeld soll er wohl Rückschläge erlebt haben, die seine Leistung beeinflusst haben könnten. Trotzdem mussten sich die Cavs die Frage stellen, ob man das Kapitel beenden möchte. Ähnlich wie im Frontcourt entschied man sich gegen eine Änderung. Ich denke auch aktuell, dass sein Trade-Value ziemlich im Keller ist und man für ihn kaum etwas sinnvolles aus Cavs-Sicht bekommen hätte. Ihn aufzubauen und zu hoffen, dass er wieder zu seinen alten Leistungen anknüpfen kann, halte ich für eine nachvollziehbare Entscheidung. Es besteht aber das Risiko, dass er es nicht mehr kann und dann hängt man an ihm und seinen fetten Vertrag (4 Jahre/$160 Mio.) fest.
Weiterhin fehlt dem Team ein richtiger Wing. Aktuell soll das Max Strus sein, der ist aber zu klein dafür. Man hat noch Dean Wade, der ist aber eher ein Rotationsspieler von der Bank. Über Shooting kann man sicher auch noch diskutieren, wobei man auch davon ausgehen kann, dass jemand wie Georges Niang nicht nochmal so eine schlechte Shooting-Saison spielt. Ein weiteres Fragezeichen bleibt der dritte Big-Man hinter Allen und Mobley. Generell ist die Tiefe ein bisschen schwierig, vor allem falls Isaac Okoro wirklich gehen sollte. Und dann natürlich noch der Head-Coach…
Neuzugänge
Die große Änderung in dieser Offseason fand auf dem Trainerposten statt. Vier Jahre nach seinem Rücktritt bei den Nets ist Kenny Atkinson wieder Head-Coach in der NBA. Der Gedankengang bei dieser Verpflichtung ist relativ offensichtlich: Atkinson hat in seiner Zeit bei den Nets einen sehr guten Job dabei gemacht, junge Spieler zu entwickeln (u.a. Allen und LeVert, die beide jetzt bei den Cavs spielen).
Dass Mobley einer der besten Defender in der Liga ist, steht außer Frage, aber offensiv stagnierte seine Entwicklung bisher. Letzte Saison hat er für eine kurze Zeit angedeutet, dass der Dreier eine weitere Option ist – aber halt nur bei sehr kleinem Volumen. Seine offensive Entwicklung wird maßgeblich mitentscheiden, ob die Cavs in Zukunft den Sprung zum richtigen Contender machen können. Hier hofft man darauf, dass unter Atkinson der offensive Breakout kommt. Wenn er sich noch den Dreier draufpacken kann, wird man auf den Fit des Frontcourts nochmal ganz anders schauen.
Wie schon vorher geschrieben, scheint der Plan der Cavs zu sein, Garland wieder in die Spur zu bringen. Hier soll Atkinson eine wichtige Rolle spielen. Unter ihm in Brooklyn hatte D’Angelo Russell, ein sehr ähnlicher Spielertyp zu Garland, seine Breakout-Season und einzige Allstar-Nominierung. Jetzt baut man darauf, dass Atkinson wieder mehr aus Garland rausholt. Garland wirkte zuletzt sehr passiv, verweigerte teilweise komplett offene Würfe und sein komplettes Midrange-Game (Floater etc.) ist eingebrochen. Ich denke, hier wird man sich vor allem auf das Mentale konzertieren müssen, da sein Selbstbewusstsein verschwunden zu sein scheint.
Abgesehen davon, muss Atkinson offensiv kreativ werden, Shooter wie Strus, Niang und Merrill in bessere Positionen bringen – denn vom Spielerpersonal ändert sich kaum was.
Der einzige „richtige“ Neuzugang ist Jaylon Tyson, den die Cavs mit dem 20. Pick in diesem Draft gezogen haben. Wieder ein undersized Wing, die GM Koby Altman wohl zu lieben scheint. Aber er bringt Shot-Creation und Rebounding. Beides fehlt der aktuellen Bench. Ob er das aber gleich von Anfang an abrufen kann und wie groß seine Rolle generell sein wird, bleibt fraglich.
Abgänge
Tristan Thompson, Damian Jones, Marcus Morris – der durchaus nette Ansätze in den Playoffs hatte – werden vermutlich keine neuen Verträge kriegen. Natürlich keine besonders guten Spieler aber der Frontcourt sieht schon extrem dünn aus.
Ein großes Fragezeichen, das bis jetzt noch nicht beantwortet wurde, ist die Personalie Isaac Okoro. Der ehemalige Top-5 Draft-Pick hat bis jetzt noch keinen neuen Vertrag. Ein Angebot der Cavs liegt wohl vor, mit dem Okoro aber nicht zufrieden sein soll. Falls sie ihn wirklich gehen lassen sollten, könnte ich es nicht nachvollziehen. Okoro hat klare offensive Limitationen aber sein Dreier hat sich stetig verbessert, auch wenn die Konstanz etwas fehlt. Und er ist mit Abstand ihr bester Perimeter- und Onball-Defender des Teams. Ich denke, er wird ein athletischer 3&D-Spieler werden, was die Cavs brauchen könnten und teuer wird er nicht sein, da das Interesse von Teams wohl nicht so groß zu sein scheint. Ich halte es für immer wahrscheinlicher, dass Okoro das Qualifying-Offer annimmt (nicht den längeren Vertrag), um nächstes Jahr unrestricted Free-Agent zu werden und frei verhandeln zu können.

Bewertung und Blick nach vorn
Ich als Fan sehe die Offseason zwiegespalten. Auf der einen Seite kann ich die eher vorsichtige Strategie nachvollziehen. Bei allen Firstround-Picks bis einschließlich 2029 haben die Jazz noch die Rechte und man hatte so gut wie kein Cap-Space, was bedeutet, dass sie nochmal deutlich sorgsamer mit ihren Ressourcen umgehen müssen. Ein Garland und Allen einfach zu verscherbeln, nur um sagen zu können, dass man was gemacht hat, wäre ein Fehler. Gerade bei Garland glaube ich nicht, dass es Angebote gibt, die die Cavs wirklich besser machen würden. Dazu musste man am Anfang der Offseason auf die Entscheidung von Mitchell warten, die diese Offseason maßgeblich bestimmt hätte. Auf der anderen Seite fällt es mir schwer, ernsthaft zu glauben, dass ein neuer Head-Coach allein schon die Lösung der durchaus vielen Probleme ist.
Der Osten wird nicht nochmal so schwach sein wie letztes Jahr. Philly und die Knicks haben aufgerüstet und werden gesünder. Miami sollte wieder besser werden und auch bei den Magic und Pacers kann man von einer Weiterentwicklung ausgehen. Ich sehe absolut die Gefahr, dass durch diese passive Offseason die Cavs endgültig ins Mittelmaß fallen. Man könnte sogar argumentieren, dass die Cavs schon letztes Jahr ein PlayIn-Team gewesen wären, wenn sie nicht vor dem Allstar-Break aus dem Nichts den 17-1 Run ohne Garland und Mobley gehabt hätten.
Fazit: Die Cavs haben eine sehr teure (insg. über $460 Millionen) und dennoch unspektakuläre Offseason hinter sich, die aber sehr viel über die Selbsteinschätzung des Front-Offices sagt. Die Frage ist, hat man den großen Knall verhindert oder nur nach hinten verschoben?



